Die Freude am wütend sein

Kennst du den Anzeigenhauptmeister, hast das rassistische Partyvideo aus Sylt gesehen oder schaust dir manchmal Trash-Sendungen, wie Temptation Island, an? Egal, ob bei Social Media oder bei Filmen, Serien und Sendungen: Manchmal schauen wir uns extra Inhalte an, die uns wütend machen. Laut der Journalsitin Ingrid Brodnig sind viele Videos in den Sozialen Medien aber auch Fernsehinhalte so erfolgreich, weil sich Leute darüber aufregen. Die Einschaltquoten gehen dann nach oben oder ein Video geht viral, weil viele aus ihrer Wut heraus Kommentare schreiben oder das Video an andere weiterleiten. Manchmal wird das von den Creatoren direkt eingeplant – das nennt man dann Rage Farming. Manchmal passiert es aber auch eher unabsichtlich – wie beispielsweise bei der erfolgreichen Serie „Emily in Paris“, die an sich professionell gemacht ist, aber sehr polarisiert.
 

Was genau bedeutet Hate Watching?

Der Begriff beschreibt das Phänomen, wenn man sich Videoinhalte ansieht, die man als schlecht empfindet oder nicht mag, weil es Spaß macht, sich darüber lustig zu machen oder sie zu kritisieren.

 

Anti-Fandoms

Manchmal wird ein Inhalt so gehasst, dass ein richtiges „Anti-Fandom“ entsteht. Ähnlich wie bei „normalen“ Fans bildet sich hier eine Community, die sich regelmäßig über die Inhalte austauscht und darüber diskutiert, warum der Inhalt, die Qualität, das Schauspiel oder das Drehbuch so schlecht ist. Gerade bei der letzten Staffel der HBO-Serie Game of Thrones haben sich viele Anti-Fans zusammengefunden, die es insgeheim gefeiert haben, die Staffel komplett auseinanderzunehmen und sich in ihrem Frust über das Staffelfinale gegenseitig hochzuschaukeln. Verrückterweise kann dieses soziale Miteinander, in dem man gegenseitig seine Wut austauscht, auch sehr glücklich machen. Vielleicht auch, weil man bemerkt, dass man mit seiner Meinung über etwas nicht alleine ist.

Der Soziale Vergleich

Hate-Watching kann unter Umständen also auch glücklich machen. Neurowissenschaftler*innen haben herausgefunden, dass Hass intensive Reaktionen im Gehirn auslöst, denen durch Glückshormone wie Oxytocin und Serotonin entgegengewirkt wird.

Und auch der Soziale Vergleich kommt beim Hate Watching ins Spiel. Wenn wir Content von jemand anderem ansehen, den wir nicht mögen, findet ein Abwärts-Vergleich statt. Denn der Vergleich mit Personen, die ein ganz anderes Leben führen oder ganz andere Ansichten vertreten als wir, können zur Verfestigung der eigenen Meinung führen. Nämlich dann, wenn wir immer wieder feststellen, dass wir die Lebensweise oder die Argumente des Gegenübers ablehnen oder froh sind, dass unser Leben anders ist. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn wir Politiker*innen, Influencer*innen und YouTuber*innen folgen, die wir absolut nicht mögen oder uns mit unsympathischen Figuren aus Serien vergleichen.

Bis zu einem gewissen Grad ist das auch vollkommen in Ordnung. Man sollte hier aber vorsichtig sein, dass dieses Verhalten nicht zu einer Obsession wird. Auch wie wir dann auf die Inhalte reagieren, ist wichtig. Einen Hate-Kommentar nach dem anderen zu verfassen ist nicht nur mies, sondern unter Umständen auch strafbar! Abgesehen davon, was Hass bei deinem Gegenüber auslösen kann, tut es dir sicherlich auch nicht gut, dich permanent mit für dich negativen Inhalten zu umgeben. Denn auch wenn ein kleines bisschen Wut uns wie oben beschrieben glücklich mache kann … Irgendwann ist zu viel Wut einfach schlecht für uns!

Du interessierst dich für das Thema und möchtest noch mehr erfahren? Dann empfehlen wir dir das Video „Deine Emotion, ihr Geschäft: Wie du absichtlich wütend gemacht wirst“ vom YouTube-Kanal Brust Raus.

Artikel vom 10.09.2024.